Großbritannien - 07.12.2025
Am ersten Dezemberwochenende wurde in Liverpool die neue sozialistische Partei YOUR PARTY (YP) gegründet. Der Kongress verlief turbulent, aber weit weniger chaotisch, als es die Zeit vor der Konferenz vermuten ließ. Weder Corbyn noch Sultana wurden zu Vorsitzenden von YP gewählt.
Von den 55.000 Mitgliedern nahmen etwa 3.000, die durch Losverfahren für die Teilnahme ausgewählt wurden, direkt an der Gründungskonferenz teil.
Alle Mitglieder konnten online über die Ratifizierung von vier Gründungsdokumenten abstimmen; die Online-Abstimmung endet am Dienstagabend (2.12.).
Das Innere des Veranstaltungsortes war schlicht und die Dekoration minimal. Die Stände in der Haupthalle waren der Solidarität mit Palästina, antirassistischen Gruppen und der Kampagne für nukleare Abrüstung gewidmet.
Diese Konferenz lebte fast ausschließlich von der enormen Energie der Teilnehmer.
Der Gründungskongress begann dramatisch. Am späten Freitag – dem Tag vor der offiziellen Eröffnung der Konferenz – kam ans Licht, dass führenden Mitgliedern der trotzkistischen Socialist Workers Party (SWP) keine Teilnahmekarte für den Gründungskongress von YOUR PARTY (YP) ausgestellt worden waren. Dies nahm Zarah Sultana zum Anlass für eine Veranstaltung am Freitagabend, um mehr Demokratie in der Partei zu fordern. Dort wurden Vorwürfe gegen "gesichtslose, namenlose Bürokraten" innerhalb von YOUR PARTY erhoben und behauptet, dass eine "Hexenjagd" koordiniert werde.
Ein Sprecher von YP wies diese Vorwürfe zurück und sagte:
"Diese Behauptungen sind falsch. Mitglieder einer anderen nationalen Partei haben sich unter Verstoß gegen klar festgelegte Mitgliedschaftsregeln bei Your Party angemeldet – und diese Regeln wurden durchgesetzt.“
Jeremy Corbyn wies diese Vorwürfe am Samstagmorgen bei einer Pressekonferenz unmittelbar vor seiner Eröffnungsrede zur Kongress ebenfalls als "absurd" zurück. "Ich führe keine Hexenjagd gegen irgendjemanden. Das ist eine ziemlich absurde Behauptung. Wir haben lediglich gesagt, dass man nicht gleichzeitig Mitglied in zwei Parteien sein kann – das ist alles."
Auf dem Kongress plädierte Corbyn nachdrücklich für Einheit innerhalb der Partei und forderte die Mitglieder auf, "einander zuzuhören, voneinander zu lernen und respektvoll miteinander umzugehen".
Zarah Sultana boykottierte die Konferenz ihrer eigenen Partei
Zarah Sultana ihrerseits erklärte Journalisten am Kongressort, dass es innerhalb der Partei eine "giftige Kultur" gebe. Nachdem sie mit einer Gruppe von Medienvertretern gesprochen hatte, drehte sie sich um und ging vom Veranstaltungsort weg. Mit der Weigerung, den Konferenzort zu betreten, wollte sie gegen das protestieren, was sie als "Hexenjagd" auf linke Parteimitglieder bezeichnet.
Sie hielt diesen Boykott für den Rest des ersten Konferenztages aufrecht.
Während sich all dies außerhalb des Hauptkonferenzsaals abspielte, diskutierten die Mitglieder im Inneren über die Gründungsdokumente der neuen politischen Partei. Am Wochenende fand eine Reihe von Abstimmungen über wichtige Elemente der Parteistrukturen sowie über das "politische Statement“ statt – ein umfassendes Dokument, das die ideologischen Grundlagen der Partei festlegt.
Die Vorstellung einer breit aufgestellten Partei, die sich darauf konzentriert, so viele Menschen wie möglich anzusprechen und diejenigen, die sich bisher nicht für Politik interessiert haben, dafür zu begeistern, wurde von Corbyn favorisiert. Er stützt sich dabei auf die "Wahlwunder", die von unabhängigen Kandidaten bei der zurückliegenden Wahl erzielt wurden, indem sie die fest verankerten Mehrheiten der Labour-Partei in ihren Wahlkreisen, die vielfältig und größtenteils von der Arbeiterklasse geprägt waren, umkehrten. Sie erreichten dies mit ihrem eigenen lokal spezifischen Ansatz und politischen Positionen, die von einem durchschnittlichen YOUR PARTY-Mitglied oft als heterodox und sogar inakzeptabel angesehen werden könnten.
Dies steht im Gegensatz zu Sultanas Idee. Ihr Ansatz ist kompromisslos bei moralischen Prinzipien und konzentriert sich darauf, bestehende linke Bewegungen zu stärken.
Weniger Kompromisse, mehr unverhohlener Radikalismus. Und genau diese Vision setzte sich am zweiten Tag der Konferenz entscheidend durch.
Abgestimmt wurde auch über den Namen der Partei - "For The Many“? "Our Party“? "The Popular Alliance“? Am Ende einigten sich die Mitglieder mit 37 Prozent der Stimmen darauf, den Namen "Your Party“ beizubehalten.
Die wichtigste Abstimmung betraf jedoch die Frage, ob ein einzelner Vorsitzender gewählt werden sollte – Corbyn hatte sich öffentlich für diese Option ausgesprochen – oder ob es eine kollektive Führung durch die Mitglieder geben sollte, die von Sultana bevorzugte Option. Die ältere Idee, Sultana und Corbyn als Co-Vorsitzende einzusetzen, war vom Tisch – jeder wusste, dass die beiden nicht miteinander können.
"Diese Partei gehört ihren Mitgliedern, nicht den Abgeordneten"
Jeremy Corbyn wurde nicht, wie viele vorhergesagt hatten, zum Vorsitzender der YP gewählt. Der Gründungskongress lehnte mit knapper Mehrheit das traditionelle Modell einer Partei mit einem einzigen politischen Führer oder Co-Führer ab.
Stattdessen wird die Partei kollektiv von einem 16-köpfigen Zentralen Exekutivkomitee (CEC) geführt werden, das Personen zu öffentlichen Sprechern ernennt.Mit dieser knappen Entscheidung - 51,6 Prozent für eine kollektive Führung und 48,4 Prozent für einen Einzelvorsitzenden - blieb YP eine möglicherweise brutale Zweikampf-Führungswahl zwischen Jeremy Corbyn (Abgeordneter des Londoner Stadtviertel Islington) und Zarah Sultana, (Abgeordnete für Coventry South) erspart - zumindest vorerst.
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